In den letzten Monaten habe ich meine Begeisterung für das Fotografieren in verlassenen Gebäuden entdeckt. Sie stehen oft seit vielen Jahren leer und obwohl fast keine Möblierung mehr vorhanden ist, stößt man doch immer wieder auf Hinweise der früheren Nutzung.
Es ist unglaublich, wieviel Stille in diesen Häusern steckt.
Diese Stille macht mich beim Fotografieren sehr ruhig und ich kann mich konzentriert und intensiv mit den Motiven auseinandersetzen. Denn wenn ich Tiere oder Musiker fotografiere, kommt es immer auf die richtige Sekunde an. Viele dieser Bilder sind für mich Zufallstreffer. Das meine ich nicht abwertend. Ich weiß, dass ich ein völlig anderes Bild bekommen hätte, wenn ich nur den Bruchteil einer Sekunde früher oder später abgedrückt hätte und ich freue mich, dass/wenn ich den richtigen Sekundenbruchteil erwische.
Doch in den maroden Häusern kann ich mich ausführlich mit jedem einzelnen Motiv beschäftigen. Ich kann jedes Bild planen und Kameraposition und -einstellungen so lange in Ruhe verändern, bis ich wirklich zufrieden mit dem Bild bin. So habe ich lange nicht mehr fotografiert, aber es macht mir riesigen Spaß.
Bei der Auswahl der Bilder am heimischen Rechner stellte sich heraus, dass ich ein großer Fan von Türen und Treppen bin. Ja, ich habe auch andere Motive fotografiert, aber Türen/Türgriffe und (Wendel-)treppen machen den Hauptteil meiner Lieblingsbilder aus. Möchte das jemand analysieren?
Bei der Planung wusste ich nie, was genau mich erwartet. Auf der ersten Tour war es für mich sehr wichtig zu wissen, dass zuhause jemand sitzt, der meine Koordinaten hat und Hilfe verständigen kann, wenn ich mich nicht zu einer verabredeten Zeit zurückmelde.
Spoiler Alert: War nicht notwendig. Kein Axtmörder im Haus. Trotzdem habe ich mich mit der Absicherung wohler gefühlt.
Ich war bei der ersten Vorbereitung sehr gespannt darauf, ob mir der Zustand der Häuser Angst oder Unbehagen verursacht. Das ist zum Glück nicht passiert, weil mich die Ruhe und die vielen Details ab der ersten Sekunde begeistert haben. Nur auf einem der Dachstühle wurde mir plötzlich etwas mulmig und ich kann gar nicht genau sagen, warum.
Diese verlassenen und manchmal auch halb verfallenen Häuser sind für mich keine tragischen Orte. Sie sind einfach Plätze, an denen der normale Lauf der Zeit stattfindet. Denn ebenso wie Menschen und Tiere sterben, werden Häuser unbrauchbar und hier wird dem Verfall nichts mehr entgegengesetzt.
Was ich dagegen traurig finde, ist sinnloser Vandalismus von Leuten, die sich in den Gebäuden austoben. Denn im Gegensatz zum natürlichen Verfall sehe ich das als unnötig an. Hier wollen Leute durch Zerstörung ihr Ego befriedigen und den nächsten Besuchern, bzw. Fotografen die unberührte Geschichte verderben.
Für alle Leser, die sich dennoch ein Happy End für Marodien wünschen: Einige der Häuser werden in naher Zukunft zu Wohnungen oder Gewerbeflächen umgebaut und erneut mit Leben gefüllt.
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Anja (Mittwoch, 21 November 2018 20:35)
Sehr coole Fotos. Ich finde Bilder von leerstehenden, verfallenden Gebäuden total spannend - habe aber nicht genug Elan und Mumm, um selbst welche zu machen.