Um mich langsam wieder auf die norddeutsche Heimat einzustimmen, wollte ich heute irgendwas mit Wasser machen. Durch Zufall bin ich auf den Hanging Lake Trail gestoßen. Der Hanging Lake befindet sich ca. 250 Kilometer von Denver entfernt und da muss ich morgen sowieso hin. Es ist ein See, der durch eine Verwerfung im Gestein die unter ihm liegende Felsklippe schüsselartig zu überragen scheint. Er wird von mehreren Wasserfällen gespeist und das überlaufende Wasser fließt entlang des Wanderwegs den Berg runter.
Klang interessant. Bilder im Internet sahen schön aus. Musste ich mir angucken.
Mit gut eineinhalb Kilometer Länge ist der Weg zum See eher kurz. Aber auf dieser Strecke steigt man 285 Meter nach oben. Das sind umgerechnet etwa 1400 Treppenstufen. Ohne Treppenstufen. Dafür über Felsen.
Ich habe deutlich länger gebraucht als im Trailguide angegeben. Meine Ausreden: Flachländerin und Fotografin.
Denn auch heute haben sich mein Schneckentempo und meine Aufmerksamkeit bezahlt gemacht.
Mir ist ein Eichhörnchen bei der Ernte begegnet. Der kleine Kerl sprang mehrere Male quer über den Bach neben dem Wanderweg, um im Gebüsch Pilze zu sammeln. Die hat er (oder sie?) dann leichtfüßig auf meiner Seite des Ufers einen Baum raufgetragen. Viel niedlicher kann es wirklich nicht mehr werden.
Ich wusste nicht, dass Eichhörnchen Pilze sammeln und in Baumkronen lagern.
Einer der anwesenden Ranger hat mir gesagt, dass die Hörnchen ab und zu von Bäumen runter mit Kiefernzapfen nach Wanderern werfen, wenn sie sich genervt fühlen. Ich bin mir immer noch nicht sicher, ob ich das glauben soll.
Zum Glück bin ich früh gestartet und war vor der Mittagshitze oben am See. Der Aufstieg hat sich wirklich gelohnt!
Das Wasser im See ist kristallklar und der Seegrund von wunderbar türkiser Farbe. Ein wahnsinnig schöner Ort!
Die Wasserfälle sind fast schon kitschig. Dazu gibt es Fische im See und sehr blaue Vögel am Ufer. Die umliegenden Gipfel sind rötlich und tannenbewachsen.
Der Werbeslogan für diesen Bundesstaat heißt "Colorful Colorado" und heute habe ich eine Idee bekommen, was das bedeuten kann.
Ich musste zumindest versuchen, diese Landschaftsschönheit im Bild festzuhalten. Aber auch hier habe ich festgestellt, dass die Fotos der Realität nicht gerecht werden.
Parallel zu den Seefotos habe ich eine Wasseramsel erst beim morgendlichen Putzen und Singen und später beim Jagen erwischt. Zum Glück gibt es von diesen Vögeln nicht allzu viele am See. Ich vermute, die Fischpopulation ist gesichert.
In dieser Höhe hatte ich nicht mit Fischen gerechnet. Aber die Wasserqualität muss der Hammer sein. Es wird peinlich genau darauf geachtet, dass keiner der Wanderer auch nur einen Finger ins Wasser steckt. Verunreinigungen werden so auf einem Minimum gehalten.
Wobei "es wird peinlich genau darauf geachtet" zuviel gesagt ist. Die Wanderer tun es von sich aus nicht. Alle bemühen sich darum, dass die Natur nicht mehr als notwendig belastet wird. Dazu gehört auch, dass man selbstverständlich nicht vom vorgegebenen Weg abweicht.
Vorm Abstieg musste ich mir noch den etwas höher gelegenen Anfang des Wasserfalls angucken. Er startet hauptsächlich in einem 50 cm großen Loch im Fels und das Wasser schießt mit einem gewaltigen Druck heraus.
Der Rückweg ging natürlich etwas schneller als der Aufstieg, aber auch hier habe ich mir Zeit gelassen. Von vielen entgegenkommenden Wanderern wurde ich gefragt, ob es noch weit bis zum See sei. Nach und nach wurde meine Antwort weniger enthusiastisch. Schwitzenden Menschen zu sagen, dass sie noch nicht einmal die Hälfte des Weges geschafft haben, fällt schwer. Ich war trotzdem ehrlich. Aber ich habe alle beteiligten Parteien damit getröstet, dass es auf dem Weg nach oben immer wieder tolle Ausblicke auf den Gebirgsbach gibt und dass das Ziel die Anstrengung wert ist.
Am Ende des Trails steht man wieder am Colorado River. Ja, das ist der, den man vom Goldrausch kennt.
Die letzte Viertelstunde zum Parkplatz läuft man am Fluss entlang. Ich konnte es kaum glauben, dass nur wenige Meter von mir entfernt drei Otter schwammen und sich Krebse oder ähnliche Scherenträger aus dem Wasser fischten. Zum Glück platschten sie beim Auf- und Untertauchen, sonst hätte ich sie wegen des bewachsenen Ufers nicht bemerkt.
Mit diesen Bildern der faszinierenden Landschaft und der vielfältigen Tierwelt habe ich mich auf den Weg nach Denver gemacht. Morgen Abend gehts zurück nach Hause. Irgendwie freue ich mich auf mein eigenes Bett und auf meine Freunde. Andererseits könnte ich noch lange eine tägliche Dosis an Naturwundern ertragen.
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